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Geschichte

Um die Bedeutung und Notwendigkeit der Linienverbindung entlang der norwegischen Küste zu verstehen, ist ein Blick auf die geografische Situation des Landes hilfreich: Das heutige Norwegen erstreckt sich über rund 2.650 Kilometer in Nord-Süd-Richtung. Dabei war es seit jeher der von relativ mildem Klima begünstigte Süden des Landes, der sowohl hinsichtlich Einwohnerzahl als auch Wirtschaftskraft dominierte. Den Küstensiedlungen und Gemeinden im Norden des Landes, die vom Fischfang in den fischreichen Gewässern der Lofoten, Vesterålen und der Barentssee lebten, fehlte es vor allem an geeigneten Transportwegen für den angelandeten Fisch, aber auch für die Grundversorgung mit Waren und Wirtschaftsgütern, die vor Ort nicht hergestellt werden konnten. Es gab beispielsweise ab Anfang des 19. Jahrhunderts nur sporadische Verbindungen zwischen der hoch im Norden gelegenen Inselgruppe der Lofoten und der Handelsmetropole Bergen. Vor allem in den langen Wintern war der gesamte Norden des Landes praktisch von der Aussenwelt abgeschnitten. Der norwegische Staat erkannte dieses Nord-Süd-Gefälle und suchte nach Wegen einer besseren Verkehrsanbindung des Nordens. Bei 83.283 Kilometer Küstenlinie setzte man auf die Handelsschifffahrt und erarbeitete ab 1875 auf Basis bestehender, kleinerer Schifffahrtslinien erste Pläne für eine regelmäßige, staatlich geförderte Schiffsverbindung zwischen Stavanger und Bergen im Süden und den grösseren Küstenorten in Nordnorwegen.

Die Anfänge

Die Hurtigruten wurde von einer privaten Reederei, der Vesteraalens Dampskibsselskap (VDS), begründet und fuhr erstmals 1893 zwischen Trondheim und Hammerfest. Die erste regelmäßige und vor allem ganzjährige Postverbindung zwischen Süd- und Nordnorwegen war dem Einsatz des erfahrenen Kapitäns Richard With zu verdanken. Zusammen mit dem Lotsen Andreas Holte hatte er ab 1882 akribisch über die Fahrten durch die Gewässer entlang der norwegischen Küste Buch geführt. Er traute sich als Erster zu, die Strecke bis nach Hammerfest auch
bei Nacht und in den dunklen Wintermonaten zu fahren.
Ein Geschwindigkeitsgewinn, der Voraussetzung für die staatlichen Subventionen war, ohne die sich eine Postschiffverbindung nicht hätte finanzieren lassen.
Zuvor war in den Jahren 1889 und 1890 durch den in Diensten des Osloer Innenministeriums stehenden anerkannten
Kapitän August Kriegsmann Gran, im Auf-trag der Regierung ein Konzept zum ganzjährigen Betrieb einer Schifffahrtslinie entlang der gesamten Westküste entwickelt worden. Dieses mündete in einer am 18. April 1891 veröffentlichten Ausschreibung für eine Dampfschifflinie. Zwei Jahre später, am 2. Juli 1893 machte sich die Vesterålen unter Kapitän Richard With auf den Weg von Trondheim nach Hammerfest. Es wurden auf dieser ersten Route, die insgesamt 67 Stunden dauerte, neun Orte angelaufen:Rørvik, Brønnøysund, Sandnessjøen, Bodø, Svolvær, Lødingen, Harstad, Tromsø und Skjervøy.
Es folgten zwei weitere Hurtigruten-Linien, so dass zur Jahrhundertwende drei Postschifflinien existierten: Die erste führte von Trondheim nach Hammerfest, die zweite von Bergen nach Hammerfest und die dritte von Hammerfest weiter nach Osten bis Vadsø – diese wurde im Jahr 1908 bis zum heutigen Endpunkt Kirkenes verlängert. Diese Strecken wurden nun zwei mal pro Woche gefahren.
Damit änderte sich das Leben für die Bewohner in der unwegsamen Küstenregion Nordnorwegens entscheidend. Die Hurtigruten prägte und
einte das Land. Der beschwerliche Landweg durch die zerklüftete Landschaft konnte nun vermieden werden. Im Jahr 1898 war die Strecke nach Süden über Bergen hinaus bis Stavanger verlängert worden; jedoch waren schon um 1919 im dichter besiedelten Süden des Landes die Strassen- und Eisenbahnverbindungen so weit ausgebaut, dass in diesem Bereich der Postschiffverkehr wieder eingestellt wurde. Bergen war und blieb nun südlicher Ausgangs- und Wendepunkt der Linie.
Im Sommer 1922 konnte die Risøyrenna, ein schmaler Seeweg zwischen den Vesteråleninseln Andøya und Hinnøya eingeweiht werden. Dieser zählt noch heute zu der Route der Schiffe. Ab dem 1. Juni 1936 entstand aus den ehemals drei Linien eine durchgehende Verbindung, die Bergen im Süden mit Kirkenes im Norden verband. Ab sofort konnte mit 14 Schiffen von sechs Reedereien eine tägliche Abfahrt sichergestellt werden.

Der Zweite Weltkrieg

Während des zweiten Weltkrieges, mit der Besetzung Norwegens war ein fahrplanmässiger Postschiffverkehr weitgehend unmöglich. Dennoch waren Schiffe der Hurtigruten im Küstenverkehr und im Truppentransport eingesetzt; vereinzelt konnte auch der Liniendienst aufrechterhalten werden. Nach dem Sinken der Richard With vor Rolvsøya 1941 sah man ein, dass es zu gefährlich wurde Hurtigrutenschiffe bis nach Kirkenes zu senden. Es wurde beschlossen ein Büro in Tromsø einzurichten, welches die administrative Verantwortung für die Beförderung von Last, Post und Passagieren nördlich über Tromsø hinaus haben sollte. Das Büro in Tromsø wurde von der Administration in Stokmarknes geleitet. Über 40 kleinere und grössere Kutter wurden in der Periode 1941 - 1944 für den Hurtigrutenbetrieb Tromsø - Finnmark ausgeliehen,
auch Erstatnings-Hurtigruten genannt.

Von der Nachkriegszeit bis heute
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges waren von ehemals 14 Schiffen nur noch drei fahrtauglich. Durch ein grossangelegtes, staatlich unterstütztes Schiffs-Neubauprogramm konnte ab 1950 wieder täglich die Strecke Trondheim–Hammerfest gefahren werden. Bis 1956 wurden insgesamt zehn fast baugleiche Schiffe in Dienst gestellt, so dass wieder ein regelmässiger Liniendienst eingerichtet werden konnte.
Während zu Beginn der Linie gewöhnliche, oftmals gebraucht angeschaffte Dampfschiffe eingesetzt wurden, wurde erstmals mit dieser Baureihe ein spezieller, eigens für die Hurtigruten entwickelter Schiffstyp eingesetzt. In jede der folgenden Schiffsgeneration flossen nun neue Entwicklungen und Erfahrungen aus vorherigen Typen ein. Aussehen und Konzept der Schiffe haben sich dadurch mittlerweile erheblich gewandelt, dennoch handelt es sich noch immer um speziell für diesen Einsatz konstruierte Schiffstypen.

Bis Ende der 1970er Jahre war die Hurtigruten vor allem im Winter für einige Ort-schaften die einzige Versorgungsmöglichkeit und wurde deshalb staatlich stark subventioniert. Durch die Ausweitung des Strassennetzes und die bessere Erreichbarkeit durch Flugzeuge nahm die wirtschaftliche Bedeutung der Hurtigruten ab, so dass heute der Tourismus die grössere Rolle spielt. Nach wie vor jedoch transportieren die Hurtigrutenschiffe auch Fracht und Pendler von Hafen zu Hafen. Mit den Neubauten der mittleren Generation wurden Anfang der 1980er Jahre der Frachttransport durch Einführung des RoRo-Prinzips rationalisiert und die Liegezeit in Bergen konnte von eineinhalb Tagen auf acht Stunden reduziert werden. Durch diese Liegezeitverkürzung wurden nur noch elf statt 14 Schiffe auf der Route benötigt. In dem Jahr 1984 endete auch der Posttransport auf dieser Linie, so dass die Schiffe seitdem strenggenommen keine Postschiffe mehr sind.
Da der norwegische Staat regelmässig die Subventionen nur befristet gewährt und die Gewährung seit Ende der 1990er Jahre auf das Winterhalbjahr reduziert hat, ist die Reederei bemüht, durch den Einsatz moderner Schiffe mit grösserem Komfort den Ansprüchen einer grösseren Zahl von internationalen Touristen gerecht zu werden, um die Einnahmeausfälle durch zusätzliche Passagiere zu kompensieren. In der Winterzeit ist die Auslastung der Schiffe jedoch noch immer so gering, dass die Hurtigruten jedes Jahr Verluste verzeichnet. Ende des Jahres 2004 wurde von der norwegischen Regierung ein Subventionspaket in Höhe von 1,9 Milliarden Norwegische Kronen (dies entspricht etwa 216 Millionen €) bereitgestellt, das den Linienbetrieb bis Ende des Winterhalbjahres 2011/12 sicherstellte. Im Jahr 2011 wurde dieser Hurtigruten-vertrag bis Ende des Jahres 2019 verlängert und soll mit Subventionen in Höhe von 5,12 Mrd NOK (entspricht in etwa 650 Mio €) den ganzjährigen täglichen Liniendienst auf der Route sicherstellen. Eine ersatzlose Streichung nach Ablauf des Jahres 2019 ist jedoch nicht zu erwarten, da der tägliche Liniendienst der Hurtigruten nach wie vor im Selbstverständnis der Norweger, insbesondere im Norden des Landes, einen zentralen Stellenwert besitzt.
So trägt diese Linienverbindung noch heute die Ehrenbezeichnung Riksvei Nr. 1.